RETHINK: JENSEITS DER NACHHALTIGKEIT – WENIGER SCHLECHT IST NICHT GUT GENUG!

27.06.2024, Founders Foundation in Bielefeld

Führen die Nachhaltigkeitsansätze der letzten 2-3 Jahre wirklich zu einer signifikanten Verbesserung dieser Welt? Oder erhalten sie vielmehr einen immer noch negativen Status Quo? Ist es überhaupt möglich, dass wir mehr Ressourcen generieren als wir verbrauchen und damit in der Vergangenheit entstandene Schäden reparieren? Können wir als Mensch und Unternehmen tatsächlich umweltpositiv handeln? Zu diesen herausfordernden Fragen lud die Initiative Circular OWL am 27.06.2024 in die Founders Foudation in Bielefeld ein.

2024-06-27_Panel_ReThink-klein
Alrun Ohrmann, Geschäftsführende Gesellschafterin der OHRMANN GmbH in Möhnesee, Inken Carina Sittler, Projektreferentin bei der BDI-Initiative Circular Economy des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e.V. in Berlin, Susanne Hagenkort-Rieger, Leiterin der Grundsatzabteilung „Wirtschaftspolitik“ im NRW Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie in Düsseldorf, Prof. Dr. Lars Hoch-mann, Professor für Transformation und Unternehmung an der Hochschule für Gesellschaftsgestaltung in Koblenz und Moderatorin Almut Rademacher, Geschäftsführerin von owl maschinenbau e.V. aus Bielefeld diskutierten am 27.06.2024 Perspektiven der Nachhaltigkeit im Rahmen der Veranstaltung „ReThink: Jenseits der Nachhaltigkeit – weniger schlecht ist nicht gut genug!“ in der Founders Foundation in Bielefeld. Bild InnoZent OWL

Als Gäste stellten Alrun Ohrmann, Geschäftsführende Gesellschafterin der OHRMANN GmbH in Möhnesee, Inken Carina Sittler, Projektreferentin bei der Circular Economy Initiative des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e.V. in Berlin, Susanne Hagenkort-Rieger, Leiterin der Grundsatzabteilung “Wirtschaftspolitik” im NRW Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie in Düsseldorf und Prof. Dr. Lars Hochmann, Professor für Transformation und Unternehmung an der Hochschule für Gesellschaftsgestaltung in Koblenz unter der Moderation von Almut Rademacher, Geschäftsführerin von owl maschinenbau e.V. ihre Perspektiven und Ansätze für das Gelingen einer nachhaltigen Wirtschaft dar.

Susanne Hagenkort-Rieger betonte, dass die Landesregierung NRW sich klar zur Notwendigkeit und dem Willen der Umsetzung einer Circular Economy (CE) bekennt. Ziel sei es, NRW zu einem führenden CE-Standort mit neuen Geschäftsmodellen und Wettbewerbsvorteilen für Unternehmen in Europa zu machen. Das Land NRW habe dabei bereits jetzt eine Vorreiterrolle. Als Entscheidungs- und Monitoringrundlage haben aussagekräftige Daten eine große Bedeutung. 

Alrun Ohrmann gab aus der Perspektive einer Unternehmerin den Denkanstoß, dass Zirkularität eine mächtige Vision ist. Sie zeichnete ihre persönliche Reise in der Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit nach, viele kleine erste Schritte – noch nicht zur Zirkularität, aber zur einem anderen Bewusstsein im Unternehmen. Sie regt ein Umdenken der Konsumenten und Unternehmen an. Ziel muss es sein, sich Spielräume zu erarbeiten und diese Spielräume nicht in ein Mehr an Konsum und Gewinn zu wandeln. Diese Spielräume sollten genutzt werden, um das Wesentliche zu ermöglichen: nachhaltig zu leben und zu wirtschaften.

Inken Carina Sittler stellte die Notwendigkeit heraus, in der Circular Economy den gesamten Wertschöpfungskreislauf in den Blick zu nehmen. Die zirkuläre Transformation ist daher sehr komplex, aber erforderlich, um Klimaziele zu erreichen. Dafür sind Rahmenbedingungen notwendig, die den Wandel von linear zu zirkulär ermöglichen und gleichzeitig unseren Wirtschaftsstandort stärken. Der Green Deal und newCircular Economy Action Plan geben hierfür Leitplanken vor. Für die konkrete, praxistaugliche Ausgestaltung müssen Unternehmen, insbesondere KMU unbedingt mitgenommen und im Dialog eingebunden werden. Dabei kann kein Unternehmen allein die zirkuläre Transformation meistern, vielmehr werden sich völlig neue Interaktionen, Partnerschaften und Wertschöpfungsstrukturen aufstellen. Für Unternehmen ist es dabei eine Herausforderung und Chance zugleich, den „Business Case“ entlang der sog. R-Strategien (u.a. refurbish, repair, recycle) zu identifizieren.

Prof. Dr. Lars Hochmann spitzte abschließend zu, dass Nachhaltigkeit nicht mit den Begriffen der Nichtnachhaltigkeit erzählt werden kann. Wir benötigen einen neuen Begriff von Wirtschaft, wenn wir Nachhaltigkeit ernst nehmen wollen. Dabei darf die Frage „Wozu Wirtschaft?“ nicht aus den Augen verloren werden. Singuläre Maßnahmen reichen nicht. Er verwies für den Prozess eines veränderten Denkens auf die verschiedenen Phasen von sogenannten „moralischen Revolutionen“, wie beispielsweise die Abschaffung der Sklaverei. Diese Revolutionen wurden in der Vergangenheit immer von einer kleinen Gruppe von Menschen ausgelöst, die bestimmte Zustände nicht mehr mit ihrem persönlichen Gewissen verantworten konnten und entwickelten sich dann zu Massenbewegungen. Die fünf Phasen gehen von der „Verleugnung“ über „hat nichts mit mir zu tun“, „ja, aber“ bis zur eigentlichen Transformation und schließlich zur fünften Stufe, in der sich ein völliges Unverständnis entwickelt hat, wie man bestimmte Dinge in der Vergangenheit je dermaßen handhaben konnte. Das gibt Hoffnung, dass wir als Menschen Dinge in Zukunft verändern können, die wir heute noch als völlig normal empfinden.

40682EE9-EBB7-4325-B6B6-8E5821E4FA8A_1_102_o
Vanja Schneider, Geschäftsführer der Moringa GmbH in Monheim am Rhein stellte das Moringa Projekt in Hamburg vor – eines der ersten Wohnhochhäuser in Deutschland, das nach dem Cradle-to-Cradle Prinzip gebaut wird. Bild Dr. Alexandra Schmied, Bertelsmann Stiftung

Ergänzt wurde das Panel durch einen Beitrag von Vanja Schneider, Geschäftsführer der Moringa GmbH in Monheim am Rhein. Das Moringa Projekt in Hamburg ist eines der ersten Wohnhochhäuser in Deutschland, das nach dem Cradle-to-Cradle Prinzip gebaut wird. In der Gestaltung des Hochhauses sollen die negativen Umweltauswirkungen über den gesamten Lebenszyklus – von Materialien zu Dekonstruktion – minimiert werden. Das Projekt strebt an, die Luft zu reinigen und die Umgebung zu kühlen. Die Holzfassaden sind modular gestaltet und trennbar, was die Kreislauffähigkeit des Gebäudes mittels Wiederverwendbarkeit und Recycling verbessert. Ziel ist, mehr als die Hälfte des Gebäudes am Lebensende zerstörungsfrei demontieren zu können und damit die Werte des Baumaterials während der Dekonstruktion zu schützen.

IMG_6703
Rainer Kant, Projektleiter Wald, Biodiversität & Nachhaltige Ressourcennutzung bei B.A.U.M. e.V. in Hamburg berichtete über Rege-neratives Wirtschaften – Ressourcenschöpfung am Beispiel der Natur. Bild InnoZent OWL

Rainer Kant, Projektleiter Wald, Biodiversität & Nachhaltige Ressourcennutzung bei B.A.U.M. e.V. in Hamburg berichtete über Regeneratives Wirtschaften – Ressourcenschöpfung am Beispiel der Natur. Er stellte die wirtschaftlichen Prinzipien des Menschen wie Selbstbezogenheit, Ertrag, Dominanz, Wettbewerb, Knappheit, Größe, Wachstumszwang und Externalisierung den wirtschaftlichen Prinzipien der Natur wie substanzielle Nutzenstiftung, Partnerschaft, Kooperation und Symbiose, Überfluss, Kleinteiligkeit und Vielfalt, Mehrwertstiftung, Teilhabe und Befähigung sowie Ressourcenschöpfung gegenüber. In unserer bisherigen Wirtschaft erwachsen Erträge dort, wo der erzielte Rückfluss aus Mitteleinsätzen höher ist als die eingesetzten Mittel. Wenn aber alle systematisch für sich mehr aus dem System ziehen wollen, als sie in es investieren, führt das zu kontinuierlichem Raubbau an der Ressourcenbasis. Ökosysteme sind deshalb so erfolgreich, weil sie durch Vielfalt, Teilhabe und Symbiose einen Mehrwert für alle Beteiligte schaffen. Die Natur lebt nicht auf Pump, denn erst nach Investitionen in die Substanz, zehrt sie von deren Erträgen.

IMG_6678
Diskussionen im World-Cafe. Bild InnoZent OWL

Anschließend ging es mit einem World Cafe in den gemeinsamen Austausch und zum Ausklang auf die Dachterrasse der Founders Foundation. 

2024-06-27_Gruppenbild-klein_ReThink
Ein engagierter und erkenntnisreicher Tag zur Nachhaltigkeit! ReThink: Jenseits der Nachhaltigkeit – weniger schlecht ist nicht gut genug!“ am 27.06.2024 in der Founders Foundation in Bielefeld. Bild InnoZent OWL

Eine gemeinsame Veranstaltung von CircularOWL – 
Bertelsmann Stiftung, InnoZent OWL e.V. (CE:FIRE), Lippe zirkulär (CirQualityOWL Plus) und owl maschinenbau e.V. (CE:FIRE)

logoleiste_circ-owl_bertelsm_inz_lip-zirk_owl-masch

Die Projekte CE:FIRE zirkulär.frugal.regenerativ und CirQualityOWL Plus werden mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union und des Landes NRW durchgeführt.

logoleiste_eu_munv_cefire_mwike_cq-plus